Tuesday, May 29, 2012

Process: Tischlein, Deck Dich für Alle: Page 13


 

Seite 13

Oberhaupt, Staatsmaschinerie, Beamtenschaft und dergleichen,“ antwortete sie mir, „gibt es hier nicht und kann es hier nicht geben in diesem Lande der Freiheit und Gleichheit, denn, wie Du schon gesehen hast, wirkt hier alles freiwillig und selbstverständlich zusammen.
Lehrer und Leiter allerdings hat jedes Tätigkeitsgebiet, um Bedarf und Arbeit zu regeln.
Große Versammlungen, Ihr nennt sie wohl Parlamente, in denen nichtsagende Debatten eröffnet und geführt werden, haben wir nicht, denn sie wären nur Zeit-und Wertverschwendung.
Die große Allgemeinheit merkt es von selbst, wenn eine bedeutendere Neuerung, z. B. einen Kanalbau, eine Verkehrseinrichtung oder ähnliches nötig werden sollte.
Ganz von selbst treten dann die Ingenieurbataillone zusammen und entwerfen die Pläne, ganz von selbst treten dann die Arbeiter-und Handwerkerbataillone an zur Beschaffung und Herrichtung des notwendigen Materials, ganz von selbst rücken die Bataillone derer an ihre Stelle, die die Schlußausführung besorgen.
Zur Besprechung des Notwendigen dienen die öffentlichen Zeitungen, die aber nicht Geschäfte, sondern gemeinnützige Insitutionen sind.
Die ältesten und erfahrensten unserer Lehrer und Arbeitskundigen besprechen und beschreiben darin, was dem allgemeinen Wohle dient und es fördert.
Eine allgemeine Zeitung an einem zentral gelegenen Platze erhält alle Mitteilungen über wichtige Ereignisse, Vorfälle, Neuerungen und Vorschläge.
Durch pneumatische Leitungen verbreitet sie das Erfahrene an die kleineren Zentren und auf gleiche Weise gehen sie von da an die Einzelgemeinden.
Außer diesen allgemeinen Zeitungen gibt es Blätter, die Spezialfächern gewidmet sind, wissenschaftliche, technische, gewerkschaftliche und andere.
Sie geben Aufschluß über neue Erfindungen, Entdeckungen, Neuheiten auf dem Gebiet der Industrie, des Ackerbaues, Forstwesens, Bergbaues, der Kanalisierung, Schiffahrt usw. und ziehen gleich die praktische Verwertbarkeit des Erdachten, Entdeckten oder Erfundenen in sorgfältige Erwägung und gleich finden sich wieder jene Freiwilligenbataillone, die sich an die Ausführung des Mitgeteilten machen.
Ieder, der einen guten Einfall hat, braucht ihn bloß einer der Zeitungen mitzuteilen, die ihm die Sorge über Möglichkeit, Tauglichkeit und Durchführung in der geschilderten Weise abnimmt.
Das ist unsere ganze innere Einrichtung.”

Das Reisen.

Auf das Reisen bezog sich ein weiterer Teil der Erläuterungen meiner Freundin.
Tedem Manne und jeder Frau steht es natürlich frei, irgendwohin zu reisen, wo es ihn aus irgend einem Grunde hinzieht.
Gefällt es ihm dort und will er dort bleiben, so schreib er nur seinen Namen und die Art der Beschäftigung, der er vermöge seines Könnens und Willens gewachsen ist, in das Buch der Gemeinde und beginnt sofort mit seiner selbstgewählten Tätigkeit.
Im übrigen ist das Reisen sehr angenehm.

 

Angerbauer, Joseph. Tischlein, Deck Dich Für Alle! Eine Betrachtung. West Norwood: Selbstverlag, 1908.

Monday, May 28, 2012

Process: Tischlein, Deck Dich für Alle: Page 12


 

Seite 12

Wenn irgend ein Platz des ausgedehnten Gemeinwesens Bedarf hatte für irgend eines der Erzeugnisse, sandte er auf irgend einem der hier üblichen unglaublich raschen telegraphischen, telephonischen und optischen Wege eine Anweisung hierher, die freiwilligen Arbeiterbataillone verluden das Verlangte, die freiwilligen Eisenbahner, Schiffer, Kraftfahrzeugsführer usw. brachten es an Ort (seite 12) und Stelle, wo es in gleicher Weise übernommen und in die lokalen Lagerhäuser zum Gebrauche hinterlegt wurde.
Was die Arbeiten so flott, sicher und mit Vermeidung alles unnötigen Lärmes von Statten gehen ließ war der Umstand, daß ede Arbeit nur von solchen Leuten ausgeführt wurde, die sich freiwillig dazu gemeldet hatten.
Ieder ergriff das Fach, das seinem physischen und geistigen Können sowie seiner Neigung vollkommen entsprach, wozu er sich freiwillig meldete, und darum war auch jeder mit seinem besten Wissen und besten Willen tätig.
Dieses System der freiwilligen Berufswahl war auf alle Zweige der praktischen Tätigkeit ausgedehnt und angewendet.
Es gab Bataillone manueller Arbeiter, Ingenieurbataillone, Bergbaubataillone, Seefahrerbataillone, Künstlerbataillone und so fort, keiner war dem anderen übergeordnet, jeder dem anderen nebengeordnet, und kein Fach blieb darum unbesetz, für jeden Berufszweig fanden sich freiwillig so viele Leute, als dafür notwendig waren.
Ganz von selbst, ohne jeden Zwang erfolgte der Ausgleich in den einzelnen Bataillonen.
Hatte einer in seinem ursprünglichen Fache sein Bestes geleistet, dann ging er in ein anderes Fach über, das seiner Liebhaberei und seinem Können in gleicher Weise entsprach, der Ingenieur, der in geistiger Arbeit eine Sache erdacht hatte, wurde ein ebenso guter Arbeiter, wenn er bei der Ausführung den Geist ruhen und in körperlicher Tätigkeit Abwechslung und damit Erholung zu neuer Geistesarbeit finden konnte, keine Arbeit galt als Hohn, keine als niedriger, Kasten, wie sie unsere sogennante Gesellschaftsordnung kennt, gab es nicht.
Unter solchen Umständen mußte jede Tätigkeit selbstverständlich den höchsten Grad der Vollkommenheit erreichen, Natürlichkeit und Selbstverständlichkeit müssen ja in eines verschmelzen, wenn nicht Kastengeist und „Gesellschaftsordnung“ hemmend in das Getriebe eingreifen.
So verging die Arbeit angenehm wie im Spiel und mit jenem Vergnügen und der inneren Befriedigung, die nur das vollkommen Naturgemäße hervorbringen kann, folgte ich dem Treiben und genoß den natürlichen du künstlerischen Reiz des Hervorgebrachten.
Dann brachte mich meine Führerin in die Gemeinde zurück, von der aus wir unsere Fahrt angetreten hatten.
Auf meine Bitte erläuterte sie mir dann hier die inneren Einrichtungen des Gemeinwesens.

Ueber das, was wir Verfassung und Verwaltung nennen.

Meine naive Frage, wo denn das Oberhaupt des Gemeinwesens, der König, Kaiser oder Präsident seinen Siß have, wie es mit der Staatsmaschinerie, der Beamtenschaft usw. bestellt sei, mußte meine Führerin wohlwollend und nachsichtig lächeln.

 

Angerbauer, Joseph. Tischlein, Deck Dich Für Alle! Eine Betrachtung. West Norwood: Selbstverlag, 1908.

Process: Tischlein, Deck Dich für Alle: Page 11


 

Seite 11

Sodann fuhren wir wieder weiter und landeten nach einigen Stunden in einer anderen größeren Gemeinde, deren Mitglieder aus Vegetariern bestand.
Es war gerade Mittagszeit und wir wurden, wie allgemeine üblich, zum Mahle eingeladen, das aus köstlicher Pflanzenkost in verschiedenartigster Zubereitung bestand.
Bezüglich des Vegetarismus wurde ich hier eines besseren belehrt.
Ich sah lauter gesunde, kräftige Menschen, die Krankheiten fast gar nicht kannten, und es befanden sich alte Leute unter ihnen, die sich des Umsturzes des menschlichen Gesellschaftswesens und dessen Umwandlung in die kommunistische Gesellschaft in verschiedenen Staaten noch sehr gut erinnern konnten.
Wir wurden zum Bleiben eingeladen, um des Abends einen Vortrag über Gesundheitslehre und Pflege des Körpers und Geistes mit anzuhören, den ein alter erfahrener Arzt und Professor hielt.
Es würde zu weit führen und ich bin es auch nicht imstande, diesen geistreichen Vortrag wiederzugeben.
Seine Grundzüge waren, den menschlichen Körper von frühester Iugend an durch Abhärtung zu stählen, Mäßigkeit im Essen und Trinken zu üben und möglichst viel in freier Luft zu arbeiten oder sich zu bewegen, was auch auf den Geist des Menschen eine große Wirkung ausübt, indem die freie Natur die beste Lehrmeisterin für den menschlichen Geist ist und ihn immer frisch und regsam erhält.
Der nächste Tag führte uns nach einer Zentralstelle, wo sich Eisenwerke und große Fabriksanlagen befanden und genügend weit entfernt, um durch den Industrielärm nicht gestört zu werden, Hochschulen der verschiedenen Arten, die aus der Nähe der industriellen Anlagen den Vorteil zogen, daß beim Unterricht Theorie und Praxis immer Hand in Hand gehen konnten.
Da hier junge Leute aus allen Gegenden des Gemeinwesens zum Unterrichte zusammenströmten, mußte für deren Unterkunft vorgesorgt werden, welches Problem durch eigenen Bauten, einem Mittelding zwischen den geschilderten Wohngebäuden und etwas unseren besten Hotels, glänzend gelöst war.
In der Nähe dieses dem Studium und der Industrie, dem Erforschen und Ausführen gewidmeten Platzes befand sich ein großer Seehafen und liefen Güterbahnen von überall her zusammen.
Naturgemäß, wie hier alles überhaupt vom Standpunkte der Vernunft und des praktischen Bedürfnisses geregelt war, standen denn da auch Lagerhäuser und Vorratshäuser für alles, was hier in großen Menge, jedoch nicht größer als der Bedarf es vorschrieb, und in einer Vollendung die nur bei einem so hochentwickelten Stande des theoretischen und praktischen Könnens möglich war, erzeugt und aufgestapelt wurde.
Wenn irgend ein Platz des ausgedehnten Gemeinwesens Bedarf hatte für irgend eines der Erzeugnisse, sandte er auf irgend einem der hier üblichen unglaublich raschen telegraphischen, telephonischen und optischen Wege eine Anweisung hierher, die freiwilligen Arbeiterbataillone verluden das Verlangte, die freiwilligen Eisenbahner, Schiffer, Kraftfahrzeugsführer usw. brachten es an Ort (seite 12)  und Stelle, wo es in gleicher Weise übernommen und in die lokalen Lagerhäuser zum Gebrauche hinterlegt wurde.

 

Angerbauer, Joseph. Tischlein, Deck Dich Für Alle! Eine Betrachtung. West Norwood: Selbstverlag, 1908.

Tuesday, May 22, 2012

Process: Tischlein, Deck Dich für Alle: Page 10


 

Seite 10

Die Kühe, die bei gutem Wetter auf der Weide waren, (seite 10) sahen alle gut genährt uud gepflegt aus, sie lieserten daher auch eine sehr gute Milch, die dann in das Dekonomiegebäude abgeliefert wurde, wo sie zum Teile für den Bedarf in Kühlkammern aufbewahrt, zum anderen Teile zu Butter und Käse verarbeitet wurde, was ebenfalls durch Maschinenbetrieb geschah.
Zwischen den Großviehställen waren die Scheunen für die Futtervorräte, versehen mit sinnreicher praktischer Einrichtung zur Beförderung des Futters in die betreffenden Ställe.
In besonderen Stallungen war entsprechendes Kleinviewh nebst Geflügel aller Art untergebracht.
Große Anlagen dienten dem Betriebe der Gartenwirtschaft.
In langen Reihen standen die verschiedenen Fruchtbäume jeglicher Art, wohl gepflegt und nach den entsprechenden Früchten geordnet in regelmäßiger Entfernung von einander.
Zwischen den Obstbaumreihen waren Beete für Gemüse verschiedenster Art  eingereiht, sorgfältig gepflegt und mit Vorrichtungen für Sprengung und Berieselung.
Ferner waren auch zwei Treibhäuser vorhanden, teils für exotische Pflanzen, teils für die Aufbewahrung der Blumen in Winterszeit.
Es wurden fast Wunder in der Gartenbaukunst erzielt, da alle es sich angelegen sein ließen, auch die nicht speziell in der Gartenwirtschaft Ausgebildeten, in ihren Mußestunden und zu ihrer Erholung die Gärten zu pflegen.
Einen großeu Vorzug bildete auch das Licht für das Gedeihen der Pflanzen, denn die gesamten Gartenanlagen waren des Nachts elektrisch beleuchtet.
Der folgende Tag wurde zur Besichtigung der Umgebung verwendet.
Meine Begleiterin führte mich in eine unweit der Gebäude liegende Halle, die mit verschiedenen Kraftfahrzeugen von größter Vollkommenheit gefüllt war, dere eines wir zur Benutzung entnahmen.
Meine Freundin übernahm die Führung des Fahrzeuges und fuhr uns aus der Halle eine der vielen verschiedenen, schön angelegten und gepflegten Straßen entlang.
Da gerade Erntezeit war, hatten alle vollauf zu tun, diese einzubringen.
Die Industriearbeit ruhte in dieser Zeit vollständig, da bei schlechtem Wetter sowie im Winter genügend Zeit zur Erzeugung der nötigen Bedarfsartikel blieb und außerdem alles Notwendige, wie Kleider, Schuhe, Wäsche, Möbel und dergleichen Erzeugnisse, in genügender Anzahl und in gediegenster Ausführung vorhanden war.
Wir konnten von der Straße aus, die in ein weites Tal führte, durch ein mitgebrachtes Fernrohr die Tätigkeit der Leute und Maschinen genau übersehen.
Wir fuhren langsam weiter, den Fortgang der Arbeit von der Nähe zu betrachten, die fast spielend vor sich ging, da der stählerne Sklave die schwerste Arbeit verrichtete.
An einer sanften Anhöhe, die mit Wein bepflanzt war, angelangt, hielten wir an und besahen uns das Einsammeln der Trauben, deren einige meine Freundin mir reichte.
Es war eine der köstlichsten Früchte, die ich je von dieser Art genossen.

 

Angerbauer, Joseph. Tischlein, Deck Dich Für Alle! Eine Betrachtung. West Norwood: Selbstverlag, 1908.

Monday, May 21, 2012

Process: Tischlein, Deck Dich für Alle: Page 9


 

Seite 9

Rechnen, Sprachen, Naturwissenschaften, Geographie und Geschichte, von den niedrigeren Stufen, immer unter Abstoßung jener der Lernenden, denen ihre subjektive Begabung einen (seite 9) anderen Weg zuweist, bis zu den höchsten, daneben am intensivsten Ackerbaulehre und Industriekunde.
Wie schon erwähnt, gehen theoretischer Unterricht und praktische Unterweisung während des ganzen Lehrganges immer neben-und miteinander her.
Alle notwendigen Säle, Laboratorien, Werkstätten, Versuchsgärten usw. waren im gleichen Gebäude, beziehungsweise in dessen Komplexe untergebracht.
Wenn der Schüler sein achtzehntes Lebensjahr erreicht hat, wird seinen Anlagen und Fähigkeiten gemäß die Entscheidung über seinen ferneren Lebensweg getroffen.
Nur die Begabtesten kommen nach den hohen Sonderschulen, jenen Stätten der Geistespflege, Wissenschaft und Kunst, die ähnlich unseren Universitäten, polytechnischen Schulen, Lehranstalten für Musik, darstellende und bildende Künste usw., jedoch unter dem Gesichtspunkte praktischer Anwendbarkeit im Sinne der materiellen und der geistigen Lebensbedürfnisse eingerichtet waren.
Iunge Leute, denen für diese höhere Geisteschulung Begabung oder Neigung fehlt, treten in das praktische Leben ein, indem sie sich den Ackerbau-, Handwerks-, Ingenieurbataillonen usw. anschlließen.
Unser nächster Besuch galt der Industrieschule, einem langen, zwei Stockwerke hohen Bau, in den vor allem überall helles Licht einströmte.
Hier standen die verschiedenartigsten Maschinen zur Bearbeitung aller erdenklichen Stoffe.
In der Handhabung der Maschinen wurden die Schüler durch die geübtesten Männer des Gemeinwesens unterrichtet.
In demselben Gebäude wurden auch von den geübteren jungen Leuten die für die Gemeinde nötigen Bedarfsartikel angefertigt sowie die nötigen Reparaturen vorgenommen.
Das Uebrige, wie höhere Wissenschaft, Musik, Zeichnen, Malerei u. dergl. wurde iw Schulgebäude gelehrt.
Erwähnt muß noch werden, daß alle Kinder in den erwähnten Schulgebäuden ihre Eß- und Schlasräume hatten.
Weiter besuchten wir die größeren Maschinenräume, die alle mit den neuesten Maschinen ausgestattet und mit Elektrizität betrieben waren.
Die Gebäude zur Erzeugung der Elektrizität besanden sich unweit der übrigen Gebäude in der Nähe eines Flusses, dessen Wasserkraft zum Betriebe von Turbinen diente.
Desgleichen besanden sich hier auch die Säge-und Mahlmühlen.

Die folgenden Tage.

Mit der Besichtigung der beschriebenen Baulichkeiten und Räume war der ganze zweite Tag vergangen und der nächste war den Oekonomie-gebäuden gewidmet.
Diese zeichneten sich alle durch Einfachheit und große Reinlichkeit aus.
Die Stallungen waren leicht gewölbt und won eisernen Säulen getragen.
Zuerst besichtigten wir den Kuhstall, da gerade die Zeit es Melkens war, das von ein paar Mann mittels Elektrizität besorgt wurde und nicht mehr als ungefähr eine halbe Stunde Zeit beanspruchte.
Die Kühe, die bei gutem Wetter auf der Weide waren, (seite 10) sahen alle gut genährt uud gepflegt aus, sie lieserten daher auch eine sehr gute Milch, die dann in das Dekonomiegebäude abgeliefert wurde, wo sie zum Teile für den Bedarf in Kühlkammern aufbewahrt, zum anderen Teile zu Butter und Käse verarbeitet wurde, was ebenfalls durch Maschinenbetrieb geschah.

 

Angerbauer, Joseph. Tischlein, Deck Dich Für Alle! Eine Betrachtung. West Norwood: Selbstverlag, 1908.

Process: Tischlein, Deck Dich für Alle: Page 8


 

Seite 8

Statt unserer (seite 8) Kochherde sah ich lange, mit Silber und Gold verzierte Metalltafeln, auf denen die Speisen mittels Elektrizität zubereitet wurden.
Neben der Küche befanden sich verschiedene mit Glastüren versehene Abteilungen und Kühlkammern, in welchen die für die Speisen notwendigen Rohstoffe aufbewahrt wurden.
An einem Schreibtische in der Küche saß der Küchen vorstand, der gerade seine Anordnungen für die Mittagsmahlzeit traf.
Das nächste, was wir besichtigten, waren die sich an das Gebäude anschließenden Vorratsräume, in denen did zum größten Teil selbst erzeugten Vorräte an Lebensmitteln aufgestapelt waren.
Diese waren so regelmäßig geordnet, daß jeder Unbekannte in kürzester Zeit sich darin zurechtfinden konnte.
Hierauf besuchten wir die Gebäude, die der Volkswohlfahrt und der Erziehung der Iugend gewidmet waren.
Das erste Gebäude, das wir besuchten, war das Hospital, zugleich Entbindungsanstalt.
Die Hospital-abteilung war gänzlich leer, es gab, wie oft keine Kranken.
Dagegen war es in der Entbindungsanstalt etwas lebhafter, die Säle befanden sich in den oberen Räumen und waren nach den neuesten sanitären Vorschriften ausgeführt.
Die unteren Räumlichkeiten waren für Aerzte und Aerztinnen, Wärterinnen und anderes Pflegepersonal reserviert.
Vor dem Gebäude war ein grüner Rasenplatz mit Blumenbeeten angelegt, hinter dem Hause ein kleiner Park mit Gartenhäuschen und Spielplätzen für Kinder bis zu vier Iahren.
Die Mütter teilten sich in die Beaufsichtigung, Ernährung und Erziehung der Kleinen in bestem Einvernehmen, da die Kinder überhaupt als Kinder der Gemeinde betrachtet wurden.
Der nächste Bau, den mir meine Freundin zeigte, war dem vorigen ähnlich und gleichfalls meist von Frauen bewohnt, die die Arbeit darin verrichteten.
Hier waren Kinder von vier bis zu sieben Iahren untergebracht und von den Frauen beaufsichtigt.
In einer großen Gartenabteilung mit Baumschule wurde den Kindern spielend gelehrt, wie diese Pflanze, jene Blume heiße, wie die Bäume veredelt werden und welche Früchte sie erzeugen.
In anderen Stunden wurden die reiferen der Kinder für den eigentlichen Schulbesuch vorbereitet.
Die Schulsäle für Kinder von sieben bis zu zehn Iahren befanden sich in einem besonderen Gebäude, das auch Turn-und Spielplätze aller Art umfaße, wo die Iugend in Gymnastik, Gartenbaukunst, Gartenpflege usw. unterwiesen wurde und spielend lernte, was ihm für das spätere Leben zu wissen nötig war.
Sobald die Kinder zehn Iahre alt geworden sind, beginnt für sie die Unterweisung in den höheren Disziplinen, die Wissenschaft und die Theorie immer in engster Verbindung oder wenigstens in engster Anlehnung an die Praxis.
Rechnen, Sprachen, Naturwissenschaften, Geographie und Geschichte, von den niedrigeren Stufen, immer unter Abstoßung jener der Lernenden, denen ihre subjektive Begabung einen (seite 9) anderen Weg zuweist, bis zu den höchsten, daneben am intensivsten Ackerbaulehre und Industriekunde.

 

Angerbauer, Joseph. Tischlein, Deck Dich Für Alle! Eine Betrachtung. West Norwood: Selbstverlag, 1908.

Sunday, May 20, 2012

Process: Tischlein, Deck Dich für Alle: Page 7


 

Seite 7

In verhältnismäßig kurzer Zeit war das Abendmahl beendet und die Leute begaben sich, meist paarweise oder in Gruppen, ins Freie, um einen (seite 7) Spaziergang zu machen.
Dasselbe tat ich mit meiner Begleiterin.
Es war ein wundervoller Herbstabend, in den wir hinauswandelten.
Die verschiedenen Wege waren mit Alleen bestanden und in gewissen Abständen mit Ruhebänken versehen.
Als wir eine Zeitlang gegangen waren, ließen wir uns auf einer der Bänke nieder, von der aus man eine schöne Aussicht auf die Umgebung hatte.
Ich fragte meine Freundin, was mir nach Anbruch der Dunkelheit beginnen würden.
Sie entgegnete, daß an diesem Abende von talentierten Mitgliedern der Gemeinde ein Konzert und ein lustiges Theaterstück aufgeführt würde, und wenn es mir beliebte, könnte ich mit ihr die Vorstellung besuchen.
Als die Zeit der Vorstellung gekommen war, gingen wir in den eine kurze Strecke vom Wohngebäude entfernten, durch einen Arkadengang damit verbundenen Theater-und Konzertbau, der von außen einfach aussah.
Er bot genügend Raum für die Mitglieder der Gemeinde, deren größter Teil bereits anwesend war.
Das Innere des Hauses war ein wahres Schmuckkästchen.
Nichts wirkte überladen, man sand keine unnützen Staubfänger, keine Stuckarbeit, überall nur Parketten, eingelegte Täfelungen und an die Wand und Decke gemalte Darstellungen, so daß eine Reinigung leicht und gründlich erzielt werden konnte.
Alle Besucher und Besucherinnen trugen leichte Filzschuhe, die der Frauen waren meist kunstvoll gestickt.
Die Anwesenden folgten den Vorgängen auf der Bühne mit sichtlich reger Aufmerksamkeit und unterhielten sich offenbar köstlich während der eineinhalb Stunden, die die Abwickelung des Programms erforderte.
Nach Schluß der Vorstellung zerstreuten sich Zuhörer und Mitwirkende in verschiedene an den Theatersaal anstoßende Säle, wo sie entweder Erfrischungen zu sich nahmen oder in anregendem Gespräche die Zeit verbrachten, bis sie zur Ruhe gingen, was ziemlich frühe geschah, weil die oben im Gange befindliche Einbringung der Ernte für den nächsten Tag wieder frische Kraft erforderte.

Um anderen Tage.

Die Sonne war eben aufgegangen, und schon wurde es im Wohn-palaste lebendig.
Sehr bald gab die Glocke das Zeichen zum Frühstück, das wieder gemeinsam in dem Speisesaale genommen wurde.
Nach dem Frühstück lud mich meine Freundin zu einem Rundgange ein, um mich die praktischen wirtschaftlichen Einrichtungen dieses Gemeinwesens kennen zu lehren.
Zuerst besichtigten wir die Küche, die unterhalb des Speisesaales lag.
Ich sah da, wie mehrere junge Männer sich mit dem Reinigen der Frühstücksgedecke beschäftigten.
Das geschah in ähnlicher Weise, wie ich es einmal in den großen Hotels gesehen hatte; in einer Viertelstunde war die ganze Arbeit getan und alles wieder in bester Ordnung nah dem Speisesaale in die betreffenden Glaswandschränke befördert.
Statt unserer (seite 8) Kochherde sah ich lange, mit Silber und Gold verzierte Metalltafeln, auf denen die Speisen mittels Elektrizität zubereitet wurden.

 

Angerbauer, Joseph. Tischlein, Deck Dich Für Alle! Eine Betrachtung. West Norwood: Selbstverlag, 1908.

Process: Tischlein, Deck Dich für Alle: Page 6


 

Seite 6

Als sogenanntes Kind der Liebe in einem kleinen Städtchen geboren, erzählte ich, wurde (seite 6) ich von meiner Großmutter in ärmlichen Verhältnissen, doch leidlich gut erzogen, kam im Alter von sechs Iahren in die Volksschule und mit zehn Iahren in die Lateinschule in einem größeren Institute.
Zum ersten Male auf Ferien heimkommend, fand ich meine arme Großmutter, die mir sie bestattet hatten, verbrachte ich die Ferienwochen bei meiner Mutter, die bei einer wohlhabenden Familie in Diensten stand, und dann ging es wieder fort ins Institut.
Die Kosten für das Studium bestritt eine Wohltäterin.
Nach dreien halbjähriger Anwesenheit im Institute mußte ich, da meine Wohltäterin starb, das Studium ausgeben und erlernte nach den Regeln meines Heimatlandes in dreijähriger Lehrzeit ein Gewerbe.
Er selbst nahm auch etwas zu sich, worauf wir den Raum verließen, um uns wieder nach oben zu begeben.
Als Gehilfe war ich in verschiedenen Städten tätig, bis mich meine Militärpflicht wieder heimwärts führte.
Ich wurde Soldat, bald auch Unteroffizier und war während meiner Dienstzeit einen blutigen Krieg mitzumachen gezwungen, aus dem ich unverletzt heimkehrte.
Nach dem Abgange vom Militär war ich in verschiedenen Berufen und brachte mich und die Frau, die ich dann geheiratet hatte, recht und schlecht fort, wie es eben kam.
Wenn auch ohne Ueberfluß lebten wir in glücklicher Ehe durch volle 32 Iahre, dann entriß sie mir der Tod.
Ietzt bin ich wieder einsam, bin alt geworden und fand keine Arbeit — — —
Nun erwiderte die Frau: Ich weiß, wie es in dem Lande, aus dem Du kommst, aussieht, welche harte, unerträgliche Zustände dort herrschen da ich es in meinen jüngeren Iahren schon mehrmals bereiste.
Doch da Du nun hier bist und jedenfalls zu bleiben gedenkst, so will ich, falls es Dir recht ist, Dir hier eine treue Freundin und Begleiterin durchs Leben sein.
Ich sagte mit Freuden zu, da ich, wie jeder natürliche Mensch, das Alleinsein verabscheue, und somit war unser Bund geschlossen.
Es kam die Zeit zur Abendmahlzeit.
Die Glocke im Turme des Gebäudes ertönte in drei Schlägen, im Gange vor der Türe wurde es wieder lebhaft, meine Freundin stand auf und hieß mich mitkommen.
Wir gingen eine breite Treppe mit Marmorstufen hinunter und kamen in einen ziemlich großen Saal, wie meine Begleiterin sagte, einer der vier Speisesäle des Gebäudes, dieser hauptsächlich für ältere Leute.
Sie wies mir einen Platz an und setzte sich neben mir nieder.
Im Saale befanden sich vier Reihe einfach aber rein gedeckter Tafeln, vor diesen bequem zusammenlegbare Bänke, die in kurzer Zeit besetzt waren.
Eine zarte Musik wurde hörbar, während durch junge Männer und Frauen die Speisen gereicht wurden.
Die Platten waren von stark vergoldetem Silber, desgleichen die Eßbestecke, die Teller von feinem Porzellan.
Die Mahlzeit war einfach und reichlich, doch nichts im Uebermaße,  denn schon feit ihrer Tugend, erklärte meine Freundin, seien die Leute hier schon er Gesundheit wegen an einfache Kost gewöhnt.
In verhältnismäßig kurzer Zeit war das Abendmahl beendet und die Leute begaben sich, meist paarweise oder in Gruppen, ins Freie, um einen (seite 7) Spaziergang zu machen.

 

Angerbauer, Joseph. Tischlein, Deck Dich Für Alle! Eine Betrachtung. West Norwood: Selbstverlag, 1908.

Process: Tischlein, Deck Dich für Alle: Page 5


 

Seite 5

Die Halle war ein kühler Raum, dessen Wände verschiedene Glasschränke zierten.
Es war das Refektorium.
In der Mitte sprudelte ein künstlerisch ausgeführter Springbrunnen, dessen strahlenförmig aufsteigendes Wasser eine angenehme Frische im Raume verbreitete.
Mein Führer hieß mich an einem Tische Platz nehmen, entnahm einem der Schränke eine wohlschmeckende Speise nebst einem Becher von dem schon erwähnten Göttertranke.
Er selbst nahm auch etwas zu sich, worauf wir den Raum verließen, um uns wieder nach oben zu begeben.
Er öffnete eine, ließ, mich eintreten und empfahl mir, es mir hier bequem zu machen und auszuruhen.
Ich schritt an das einen Erkervorsprung bildende Fenster, von dem ich nach drei Seiten hin einen herrlichen Ausblick hatte und den ganzen Vorplatz war mit grünem Rasen bewachsen und mit verschieden gezeichneten Blumenbeeten und Blumen schönster Art geziert.
In der Ferne sah ich Getreidefelder, auf denen zwar nur wenige Männer, aber desto mehr verschiedene Maschinen in Tätigkeit waren.
In den Gemüse-und-Obstgärten die ich erblickte, waren Männer und Frauen beschäftigt.
Nun sah ich mir die Stube selbst an.
Sie maß etwa sechzehn Fuß im Quadrat un hatte eine Nische, in der Wasch-und Brausevorrichtungen angebracht waren.
Die glatten Wände waren verschiedenfarbig eingelegt und mit Landschaftsbildern lieblich bemalt.
Von gleicher Beschaffenheit war die Stubendecke.
Der Fußboden war parkettiert.
In der Mitte de Raumes stand ein runder Tisch aus feinem Holze, rings herum vier ebensolche Stühle mit wichen Polstersitzen und zwei zierliche, von Sauberkeit blinkende Betten vervollständigten die Ausstattung.
Nachdem ich alles genügend in Augenschein genommen und mich an der Zierlichkeit, Bequemlichkeit und Handlichkeit der Dinge ergötzt hatte, fetzte ich mich wieder im Erker nieder.
Auf den Feldern und in den Gärten war es inzwischen stille geworden, die Männer und Frauen hatten sich zurückgezogen und die Maschinen in die nahen Remisen gebracht, denn der Abend begann hereinzubrechen.
Dafür wurde es lebhaft im Gebäude.
Ich hörte Männer und Frauen vergnügt plaudernd den langen und breiten Korridor entlang wandeln.
Da klopfte es an meine Türe.
Auf mein Herein trat eine anmutige Frau in reiferen Iahren ein, begrüße mich, ob ich mich langweile.
Ich erwiderte, das sei durchaus nicht der Fall, da ich vor Verwunderung über alles, was ich hier gesehen habe, aus mein ein Staunen gar nicht herauskomme.
Bald entwickelte sich zwischen uns beiden ein lebhaftes Gespräche.
Ich mußte ihr meine Erlebnisse und die Verhältnisse des Landes, aus dem ich kam, schildern.
Als sogenanntes Kind der Liebe in einem kleinen Städtchen geboren, erzählte ich, wurde (seite 6) ich von meiner Großmutter in ärmlichen Verhältnissen, doch leidlich gut erzogen, kam im Alter von sechs Iahren in die Volksschule und mit zehn Iahren in die Lateinschule in einem größeren Institute.

 

Angerbauer, Joseph. Tischlein, Deck Dich Für Alle! Eine Betrachtung. West Norwood: Selbstverlag, 1908.

Process: Tischlein, Deck Dich für Alle: Page 4


 

Seite 4

“Ich bin aus Almeria.
In der Arbeit eines ganzen Lebens bin ich alt und schwach geworden, nun warf man nach der dortigen Gesell Schaftsordnung die Schale weg, nachdem man den Saft herausgepreßt hat.
Aber eine gütige Fee erbarmte sich meiner und führte mich in dieses paradiesische Land.
Doch sage mir, wo befinde ich mich?”
“Ich weiß, mein Vater, daß es ein rückständiges, barbarisches Land ist, aus dem Du kommst, wenn auch feine Bewohner in dem Irrwahne leben, sie seien hoch zivilisiert und hoch kultiviert.
Hier aber bist Du im Lande der Freiheit, Gleichheit und Bruderliebe.
In Ruhe und Sorgenfreiheit wirst Du hier den Rest Deiner Tage genießen und ebenso beschließen.”
Aus einem nahen Häuschen holte er dann eine Platte kalter Speisen, öffnete einen der silbernen Ausläufer an dem im Hause angebrachten Marmorbecken, fing den entströmenden weinähnlichen Trank in silbernem Becher auf, reichte mir Speise und den Trank, der einen herrlichen Wohlgeschmack befaß, und nachdem ich mich gestärkt hatte, lud er mich ein, ihm zur Einführung in das Land zu folgen.
Wir gingen den Weg, den er vorher gekommen war.
Nach kurzer Wanderung standen wir vor einem mächtigen, palastähnlichen Gebäude, das mir mein Führer als eines der Wohngebäude der großen Gemeinde vorstellte, das nach seiner Erklärung Raum für etwa tausend Insassen bot und deren es viele Tausende in dem weiten Bruderreiche gebe.
Es war ein aus Granit gefertigtes, sechs Stock hohes, auf einer breiten Terrasse stehendes Gebäude, in der Mitte einen halbkreisförmigen, von Marmorsäulen getragenen Vorbau bildend, auf den mehrere Marmorstufen nach der Vorhalle führten.
Wir stiegen die Stufen empor und traten in die Vorhalle, in deren  Mitte sich eine kunstvolle Türe befand, die durch einen Fingerdruck meines Führers auf einen Knopf aufsprang.
Nun standen wir in der inneren Halle.
Mein Führer fragte mich, ob ich nicht vorerst ein Bad wünsche, was ich sofort bejahte.
Wir gingen einige Stufen hinunter nach den Baderäumen, deren einen mein Führer öffnete.
Er bereitete mir ein Bad, zeigte mir die nebenstehende Brause und hieß mich meine Kleider in den neben dem Eingang befindlichen Schrank hängen und diesen wieder schließen, worauf er sich entfernte.
Als ich mein Bad genommen und mit einer kalten Dusche mich erfrischt hatte, öffnete ich den Schrank, um mich anzukleiden.
Meine alten Kleider waren verschwunden und statt ihrer hingen neue von der Art, wie die Leute hier sie trugen, nebst feiner reiner Wäsche in dem Schrank.
Ich begann mich anzukleiden und konnte mich nicht genug wundern, wie alles so genau passen konnte, ohne daß es anprobiert worden war.
Dann drückte ich auf den Türknopf, die Türe öffnete sich, und als ich austrat, fand ich meinen Führer wieder, der mich wohlgefällig lächelnd empfing und mich nach einer auf der anderen Seite befindlichen Halle geleitete.

 

Angerbauer, Joseph. Tischlein, Deck Dich Für Alle! Eine Betrachtung. West Norwood: Selbstverlag, 1908.

Process: Tischlein, Deck Dich für Alle: Page 3


 

Seite 3

Willig gehorchte ich ihren Worten, stieg ein und die Luftfahrt begann. Wie getragen von des Adlers mächtigen Schwingen hoben wir uns in die Höhe, immer tiefer unter uns blieb die Erde, immer reiner und rosiger wurde die Luft, über Läuder und Meere ging die schnelle und doch wohlig ruhige Fahrt.
Nun senkte sich unser Fahrzeug allmählich wieder und hielt die Richtung auf festes Land.
Te näher wir diesem kamen, desto mehr staunte ich über dessen nie gesehene Pracht.
Wie ein Paradies erschien es mir, in dem nicht Menschen, sondern Götter wohnen.
Das Panorama, das sich mir aus der Höhe bot, fesselte meine Augen über all Maßen.
Wiesen von saftigstem Grün, lachende Triften, ausgedehnte Felder mit goldleuchtenden Aehren, Laubwald, der märchenhaft rauschte im Wehen einer leichten Brise, Nadelwald, aus dem sanfter Harzgeruch himmelan strebte, die Bäume so sorgsam gepflegt und so regelmäßig gepflanzt, als waren die Maße dazu mit dem Zirkel genommen worden, dann wieder Wiese und Trift, dann weiter Obst-und-Gemüsegârten, alles durchzogen von silbernen Streifen, den Straßen des zur Bewässerung nötigen Wassers.
Mitten drinn erhoben sich große, palastartige Bauten mit zahlreichen Nebengebäuden in einer Bauart, wie ich sie auf Erden nie gesehen hatte, weder an Pracht noch an Ausdehnung, und mitten drin in diesem Paradiesesland flog unser Aerostat sanft zu Boden und blieb stehen.
Die Stimme meiner gottgleichen Führerin ertönte:
Hier magst Du bleiben!
Du wirst hier Wesen finden, die gut zu Dir sein und Dir alle Seine vernünftigen Wünsche erfüllen werden.
“Ich aber muß wieder hinweg, um weitere der schwerbeladenen Menschenkinder hierherzubringen in unser Paradies.”
Der Aerostat hob sich majestätisch in die Höhe und ich war allein in dem herrlichen Lande.
Der Weg, den ich nunmehr entlang wandelte, war sichtlich mit peinlicher Sorgfalt gepflegt und beiderseits von prächtigen Bäumen mit weit ausladenden, reichen Schatten spendenden Kronen umsäumt.
Er führte zu einem sanft ansteigenden Hügel, auf dessen Höhe die Straße sich teilte.
Im Kreuzungspuntkte war ein Häuschen aus Baumästen errichtet, einem Gartenhäuschen ähnlich, aber nicht wie plumpes Menschenwerk, sondern troß des unscheinbaren Baumaterials mit fein künstlerischem Verständnis erbaut.
Rings um die Wände zogen sich Weinreben hin, von denen prachtvolle Früchte einladend herabhingen und Ruhebänke luden zur Rast.
Ich ließ mich nieder und weidete mich an dem herrlichen Rundblick.
Da bemerkte ich einen Mann auf mich zukommen, einen stattlichen jungen Menschen, dessen Gewandung leicht den Körper umfloß und die kräftige Muskulatur sehen ließ.
Er bot mir die Hand zum Gruße und sprach mich an:
“Ich sah einen unserer Aerostaten niedergehen und komme hierher, Dich als neuen Ankömmling in unserer Gemeinde zu begrüßen, Dich bei uns einzuführen.
Wer Du auch seidt, woher Du auch kommst, sei willkommen!”

 

Angerbauer, Joseph. Tischlein, Deck Dich Für Alle! Eine Betrachtung. West Norwood: Selbstverlag, 1908.

Saturday, May 19, 2012

Process: Tischlein, Deck Dich für Alle: Page 2


 

1. Leil - Auf der Wanderung

Ein heißer Herbsttag. Ich hatte schon zahlreiche Städte und Dörfer passiert, alle meine Mühe, eine stete Beschäftigung und Unterkunft zu finden, waren vergeblich gewesen, und betrübt zog ich als einsamer Wanderer die staubige Landstraße entlang.
Was war die Ursache meines Mißgeschickes gewesen?
Mein Aussehen war von der Art, die die Menschen heutzutage anständig nennen, ich sah nicht herabgekommen aus und war leidlich gekleidet.
Worin also lag die Ursache?
Die meisten von denen, die ich um Arbeit angesprochen hatte, hatten mich nur kalt angesehen, mancher gab mir aus Mitleid ein paar Pfennige, jeder erklärte, er habe “leider” keinen Bedarf für mich. Endlich fand sich einer, der mir die Wahrheit sagte.
“Ich würde es nicht wagen, Sie in meine Knochenmühle zu stellen, es tut mir leid um Sie, Sie sind zu alt.” — Nun wußte ich’s.
Mit meinen wenigen Fröschlein in der Tasche zog ich von dannen, die Menschheit bald verwünschend, bald wieder bemitleidend.
Gab es denn nicht Tausende und Abertausende meinesgleichen?
Waren nicht viele noch bedeutend schlechter daran?
Und mußte nicht ich mit allen den Laufenden und Abertausenden mich den ganzen langen Tag schinden und quälen, und kaut so viel zu verdienen, daß wir uns mühsam am Leben erhalten konnten?
Heiß brannte die Mittagssonne auf die Landstraße und legte sich wie Blei in meine mürben Knochen.
Da erblickte ich in einiger Ferne vor mir eine grüne mit Obstbäumen bestandene Wiese und darauf steuerte ich zu.
Bald war sie erreicht, im Schatten eines Apfelbaumes ließ ich mich nieder, las einige der abgefallenen Früchte auf, und diese bildeten mit einem Stücke Brotes, das ich aus der Tasche holte, mein frugales Mittagmahl.
Dann wollte ich weiter wandern, aber eine drückende Müdigkeit überkam mich, das Plätzchen war auch so geeignet zum Ruhen und Sinnen, ich begann zu grübeln über die schnöde und doch so schöne Welt, ich dachte an das Tischlein, das sich eigentlich decken müßte für alle, ich sann und dachte und grübelte, bis ein tiefer Schlummer mich dem irdischen Jammer entrückte und mich sanft hinübergeleitete in das Reich der Träume.
Erst lag es um meine Augen wie rosenrote Dämmerung, dann erblickte ich in weiter, endlos scheinender Ferne ein dunkles, kleines Etwas in der rosig leuchtenden Luft schweben, jenes dunkle Etwas wurde immer größer und kam immer näher, bis es sich gerade vor mir niederließ, ein wundersamer Aerostat.
Eine Frau entstieg ihm, engelsgleich anzusehen, trat vor mich hin und lud mich ein, ihr in das Luftfahrzeug zu folgen.
“Du wünschest Dir ja immer, das Tischlein deck dich für alle zu sehen,” sagte sie mit unnennbar lieblicher Stimme, “komm und folge mir, ich will es Dir zeigen!”

 

Angerbauer, Joseph. Tischlein, Deck Dich Für Alle! Eine Betrachtung. West Norwood: Selbstverlag, 1908.

Friday, May 18, 2012

Process: Tischlein, Deck Dich für Alle: Page 1


 

Vorwort

Der Proletarier, der genügend zeit hat, seinen Gesichtskreis durch gute Lektüre zu erweitern und über das Gelesene auch reiflich nachzudenken, er lernt bald den Zusammenhang der Dinge erkennen.
AWie viele aber von den Proletariern haben zeit dazu?
Für den Proletarier nun, der gezwungen ist, jahraus jahrein schwer zu arbeiten, um sich und die Seinen kümmerlich zu erhalten, der nicht Zeit hat, über das Wesen der Dinge nachzugrübeln und über ihren Zusammenhang, für den währt es Jahre und Fahrzehnte, bis er sich eine Vorstellung von dem gemeinschaftlichen Zusammenleben einer freien menschlichen Gesellschaft machen kann.
Bis an meinen Lebensabend fast muszte ich warten ehe ich in die Lage kam, was ich erlebt und was ich erfahren habe, in reifem Denken zu verarbeiten, und zu Nutz und Frommen aller derer, die zum Denken nicht Zeit haben um des leidigen Selbsterhaltungstriebes willen und die nicht warten sollen um ihres Wohles und ihrer Erlösung willen, will ich ihnen in aller Kürze hier die Frucht der Erfahrungen und des Grübelns eines ganzen Lebens, meines ganzen Lebens vorlegen.
Welcher Deutsche kennt nicht das alte Märchensprüchlein:
Tischlein deck dich!
Esel streck dich!
Knüppel aus dem Sack!?
Wer ist das Tischlein? – Die Mutter Erde. Wer ist das Eselein? – Das arbeitende Volk. Wer ist der Knüppel? – Das Geld.
Ich bin ein alter Arbeiter, der sich weder zu den Gelehrten oder Hellsehern, noch zu einer ähnlichen Gattung von Menschen rechnet.
Über meine seit Iahren und Iahren mühsam gesammelten Erfahrungen lehren mich, daß es nicht eine leere Vision ist, was ich im Nachfolgenden ausführe, und darum trete ich damit vors das Forum der Oeffentlichkeit.
Die heutigen harten Zustände im Leben der Arbeiter sind unhaltbar; sie zu bessern und vernunftgemäß zu machen, ist ein allseitiger frommer Wunsch, wird aber auch immer nur frommer Wunsch bleiben für solche Menschen, die nicht weiter denken als von heute auf morgen.
Für den tiefer Denkenden, für den ein wenig in die Zukunft Blickenden wird das Folgende wohl nicht allzu unwahrscheinlich scheinen, sondern wenigstens den Anstrich der Durchführbarkeit haben, da alle Vorbedingungen dazu schon seit Iahren gegeben sind.

 

Angerbauer, Joseph. Tischlein, Deck Dich Für Alle! Eine Betrachtung. West Norwood: Selbstverlag, 1908.

Thursday, May 17, 2012

Process: Tischlein, Deck Dich für Alle: Page 05


 

Inhaltsangabe.

1. Teil.
Auf der Wanderung.
Mein Traum.
2. Teil
Wie es kam.
3. Teil.
Vielleicht find mir meine Leser gefolgt in meinem Traum.
Land! Land!
Denket an Eure Kinder.

 

Angerbauer, Joseph. Tischlein, Deck Dich Für Alle! Eine Betrachtung. West Norwood: Selbstverlag, 1908.

Process: Tischlein, Deck Dich für Alle: Page 01


 

Tischlein, Deck Dich für Alle!

Eine Betrachtung
von
Joseph Angerbauer
Motto:
Niemand wird Euch bringen
Das Tischlein, das sich selber deckt,
Doch vereint könnt Ihr’s erzwingen,
Daß das Schicksal fich vollstreckt.
West Norwood, N. J., 1908.
Im Selbstverlage des Verfassers.
New York Office:
J. Angerbauer
c.d. D, Finecke, 117 Park Row.

 

Angerbauer, Joseph. Tischlein, Deck Dich Für Alle! Eine Betrachtung. West Norwood: Selbstverlag, 1908.

Friday, May 11, 2012

Process: The Tongue Rug, the Jukebox and the Wishing-Table


Reading Peter Handke’s Essai sur le juke-box (Gallimard, 1992; VERSUCH ÜBER DIE JUKEBOX, 1990), this passage struck me:

Ces boîtes à musique-là étaient reconnaissables rien qu’à leurs programmes; avec ce méli-mélo d’écriture à la machine et à la main et surtout la diversité des écritures, souvent différentes de touché en touché, l’une en capitals à l’encre, l’autre presque sténographiée, à la façon relâchée des secretaires, mais la plupart, et cela quels que soient les paraphes ou les inclinaisons des caractères, tracées, apparemment avec un soin et une application tout particuliers, certaines comme peintes, telles des écritures d’enfants et parmi toutes les fautes, toujours ces titres de melodies écrits de façon parfaitement correcte (accents et titres compris) qui devaient avoir eu une consonance fort étrangère pour la serveuse qui en avait été chargée; le papier, ça et là déjà jauni, les écritures pâlies et difficiles à déchiffrer parfois recouvertes d’autres plaquettes avec un autre titre, mais qu’on devinait à travers celles-ci. (123-124)

I thought of the passage of time and music as a marker of memory: the machine covered with handwritten and typed song titles, the different styles revealing the trace of the hand and the machine; how each tune can evoke specific memories long buried, how melodies can unlock thought.

 

Wurlitzer jukebox
A mid-20th-century 24-disc Wurlitzer jukebox. Photographed at "The Stables" behind Full Throttle Bottles, Georgetown, Seattle, Washington on March 8, 2008. Photo by Joe Mabel

 

Handke wrote an essay on a loosely focused theme – the jukebox – but this music-machine was just the metastructure to map out a larger reflection on many other, sometimes unrelated, subjects. Le fil conducteur. In a similar fashion, I chose the tongue rug to “store” and structure my reflections. Like the jukebox the rug is made up of ce méli-mélo d’écriture à la machine et à la main with its mish-mash of writing all assembled in the blog structure. The individual tongues — each touching on different themes through key words or tags – are loosely assembled into the larger form.

This exploratory process lasted for a long period of time as I drew my pathmap in space — cycling to the genealogical and geographic waypoints. It was also time to flesh out ideas, to “craft” the tongue rug. I had come to the conclusion that I needed “objectness” after working virtually for so long. Concretization that would help bring the project to a close.

I may have found that very object: a pamphlet from early 20th century America. I had come across a copyright entry under the name of Joseph Angerbauer in the US Library of Congress. Since Joseph’s son, Joseph Henry, ran a coffee and tea company with his own son Joseph Junior, I thought at first that they had patented some sort of coffee brewing method.

Turns out the copyrighted material was actually a publication. I stumbled upon the title in a collection of Socialist Labour pamphlets on the Florida Atlantic University website: “1,700 items including trade union recruitment pamphlets, war effort pamphlets from both World Wars, economic analysis and commentary from late 19th through mid-20th century U.S. and Europe.” The International Institute of Social History in the Netherlands also referenced the pamphlet. The IISH conducts research and collects data on the global history of labour, workers, and labour relations.

In 1908, my great great grandfather, Joseph Angerbauer, published the pamphlet Tischlein, Deck Dich für Alle! Eine Betrachtung with Selbstverlage Press. I managed to find a badly battered copy online; within a week I was holding the weathered publication in my hands. The brown pages literally crumbled at the touch so I ordered archival sleeves to store them safely. I scanned each delicate page, putting them all up online in Pinterest in the hopes that someone might have information on the content. The problem is, I don’t speak or read German.

I believe Tischlein, Deck Dich für Alle! Eine Betrachtung can be translated as “Wishing-Table, for you all! A consideration” or “Ritual of Refreshment for all! An examination.” At first, “Wishing-Table” seemed like an odd choice of words? Until I came across one of the Brothers Grimm tales: Tischchendeckdich, Goldesel und Knüppel aus dem Sack or “The Wishing-Table, the Gold-Ass, and the Cudgel in the Sack” (translated by Margaret Hunt, Grimm's Household Tales, 1884. Volume 1. No. 36). In the story, the wishing-table is a magic object. When the owner of the table says “Little table, cover thyself”, the table sets itself, its surface covered with the most exquisite dishes.

I will attempt to transcribe the text myself though eventually I will need to consult a native German speaker. Apart from my linguistic deficiencies, the text was printed in Gothic script, whose origins can be traced back to 11th century France. I was surprised to learn that it was not a simple decorative element, but more of a “graphic accident” due to the rising cost of parchment. The unique styling of the letter was an economical way to squish the letters together and use less pages.

 

Gothique ancienne
Modèles d’alphabets. Gothique (2011), René H. Munsch

 

Most of the letters look familiar safe for a few variations. The long s is very similar to the f, while the round r is confusing. The decorative upper case letters are often so ornate that they are unrecognizable as actual letters. It will be a long process but I am excited to start deciphering the words. I like mysteries.

I started with the Tongue Rug (as a means for reflection on place and origins) only to end up with a 104-year old pamphlet whose meaning is as of yet unclear. Is it the object that I was looking for that has signaled the end of the project – the end of the search?

Or am I met with even more questions? Joseph Angerbauer was listed as a labourer in census records and city directories. What compelled him to publish this work let alone write it? Selbstverlage Press was situated in West Norwood, New Jersey, less than an hour’s drive away from Plainfield, his residence. West Norwood is also in close proximity to Englewood, which was the site of the Helicon Home colony, an experimental socialist commune established by Upton Sinclair and others in 1906. Lawrence Kaplan's article, A utopia during the progressive era: the helicon home colony 1906-1907 (American Studies, Vol 25, No. 2: Fall 1984), is a fascinating portrayal of the Progressive era intellectuals and their utopic ideals on child care, homemaking and women's rights of that time. Was Joseph in any way aware of this commune? Was he associated with any socialist parties in New Jersey?

It is through the transcribing and translating process that I might uncover answers.

In terms of genealogy, it is incredibly satisfying (and moving) to hold something in my hands that dates from four generations back. It is like a line tracing back through my past, a connection to an ancestor. Thinking about the Tongue Rug project, I was trying to emulate this process conceptually by tracing my passage in the Québec landscape to various bodies of water with my family names...

 

   

____

Angerbauer, J. (1908). Tischlein, deck dich für alle! Eine Betrachtung. West Norwood: Selbstverlag.