Monday, May 21, 2012

Process: Tischlein, Deck Dich für Alle: Page 8


 

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Statt unserer (seite 8) Kochherde sah ich lange, mit Silber und Gold verzierte Metalltafeln, auf denen die Speisen mittels Elektrizität zubereitet wurden.
Neben der Küche befanden sich verschiedene mit Glastüren versehene Abteilungen und Kühlkammern, in welchen die für die Speisen notwendigen Rohstoffe aufbewahrt wurden.
An einem Schreibtische in der Küche saß der Küchen vorstand, der gerade seine Anordnungen für die Mittagsmahlzeit traf.
Das nächste, was wir besichtigten, waren die sich an das Gebäude anschließenden Vorratsräume, in denen did zum größten Teil selbst erzeugten Vorräte an Lebensmitteln aufgestapelt waren.
Diese waren so regelmäßig geordnet, daß jeder Unbekannte in kürzester Zeit sich darin zurechtfinden konnte.
Hierauf besuchten wir die Gebäude, die der Volkswohlfahrt und der Erziehung der Iugend gewidmet waren.
Das erste Gebäude, das wir besuchten, war das Hospital, zugleich Entbindungsanstalt.
Die Hospital-abteilung war gänzlich leer, es gab, wie oft keine Kranken.
Dagegen war es in der Entbindungsanstalt etwas lebhafter, die Säle befanden sich in den oberen Räumen und waren nach den neuesten sanitären Vorschriften ausgeführt.
Die unteren Räumlichkeiten waren für Aerzte und Aerztinnen, Wärterinnen und anderes Pflegepersonal reserviert.
Vor dem Gebäude war ein grüner Rasenplatz mit Blumenbeeten angelegt, hinter dem Hause ein kleiner Park mit Gartenhäuschen und Spielplätzen für Kinder bis zu vier Iahren.
Die Mütter teilten sich in die Beaufsichtigung, Ernährung und Erziehung der Kleinen in bestem Einvernehmen, da die Kinder überhaupt als Kinder der Gemeinde betrachtet wurden.
Der nächste Bau, den mir meine Freundin zeigte, war dem vorigen ähnlich und gleichfalls meist von Frauen bewohnt, die die Arbeit darin verrichteten.
Hier waren Kinder von vier bis zu sieben Iahren untergebracht und von den Frauen beaufsichtigt.
In einer großen Gartenabteilung mit Baumschule wurde den Kindern spielend gelehrt, wie diese Pflanze, jene Blume heiße, wie die Bäume veredelt werden und welche Früchte sie erzeugen.
In anderen Stunden wurden die reiferen der Kinder für den eigentlichen Schulbesuch vorbereitet.
Die Schulsäle für Kinder von sieben bis zu zehn Iahren befanden sich in einem besonderen Gebäude, das auch Turn-und Spielplätze aller Art umfaße, wo die Iugend in Gymnastik, Gartenbaukunst, Gartenpflege usw. unterwiesen wurde und spielend lernte, was ihm für das spätere Leben zu wissen nötig war.
Sobald die Kinder zehn Iahre alt geworden sind, beginnt für sie die Unterweisung in den höheren Disziplinen, die Wissenschaft und die Theorie immer in engster Verbindung oder wenigstens in engster Anlehnung an die Praxis.
Rechnen, Sprachen, Naturwissenschaften, Geographie und Geschichte, von den niedrigeren Stufen, immer unter Abstoßung jener der Lernenden, denen ihre subjektive Begabung einen (seite 9) anderen Weg zuweist, bis zu den höchsten, daneben am intensivsten Ackerbaulehre und Industriekunde.

 

Angerbauer, Joseph. Tischlein, Deck Dich Für Alle! Eine Betrachtung. West Norwood: Selbstverlag, 1908.

Sunday, May 20, 2012

Process: Tischlein, Deck Dich für Alle: Page 7


 

Seite 7

In verhältnismäßig kurzer Zeit war das Abendmahl beendet und die Leute begaben sich, meist paarweise oder in Gruppen, ins Freie, um einen (seite 7) Spaziergang zu machen.
Dasselbe tat ich mit meiner Begleiterin.
Es war ein wundervoller Herbstabend, in den wir hinauswandelten.
Die verschiedenen Wege waren mit Alleen bestanden und in gewissen Abständen mit Ruhebänken versehen.
Als wir eine Zeitlang gegangen waren, ließen wir uns auf einer der Bänke nieder, von der aus man eine schöne Aussicht auf die Umgebung hatte.
Ich fragte meine Freundin, was mir nach Anbruch der Dunkelheit beginnen würden.
Sie entgegnete, daß an diesem Abende von talentierten Mitgliedern der Gemeinde ein Konzert und ein lustiges Theaterstück aufgeführt würde, und wenn es mir beliebte, könnte ich mit ihr die Vorstellung besuchen.
Als die Zeit der Vorstellung gekommen war, gingen wir in den eine kurze Strecke vom Wohngebäude entfernten, durch einen Arkadengang damit verbundenen Theater-und Konzertbau, der von außen einfach aussah.
Er bot genügend Raum für die Mitglieder der Gemeinde, deren größter Teil bereits anwesend war.
Das Innere des Hauses war ein wahres Schmuckkästchen.
Nichts wirkte überladen, man sand keine unnützen Staubfänger, keine Stuckarbeit, überall nur Parketten, eingelegte Täfelungen und an die Wand und Decke gemalte Darstellungen, so daß eine Reinigung leicht und gründlich erzielt werden konnte.
Alle Besucher und Besucherinnen trugen leichte Filzschuhe, die der Frauen waren meist kunstvoll gestickt.
Die Anwesenden folgten den Vorgängen auf der Bühne mit sichtlich reger Aufmerksamkeit und unterhielten sich offenbar köstlich während der eineinhalb Stunden, die die Abwickelung des Programms erforderte.
Nach Schluß der Vorstellung zerstreuten sich Zuhörer und Mitwirkende in verschiedene an den Theatersaal anstoßende Säle, wo sie entweder Erfrischungen zu sich nahmen oder in anregendem Gespräche die Zeit verbrachten, bis sie zur Ruhe gingen, was ziemlich frühe geschah, weil die oben im Gange befindliche Einbringung der Ernte für den nächsten Tag wieder frische Kraft erforderte.

Um anderen Tage.

Die Sonne war eben aufgegangen, und schon wurde es im Wohn-palaste lebendig.
Sehr bald gab die Glocke das Zeichen zum Frühstück, das wieder gemeinsam in dem Speisesaale genommen wurde.
Nach dem Frühstück lud mich meine Freundin zu einem Rundgange ein, um mich die praktischen wirtschaftlichen Einrichtungen dieses Gemeinwesens kennen zu lehren.
Zuerst besichtigten wir die Küche, die unterhalb des Speisesaales lag.
Ich sah da, wie mehrere junge Männer sich mit dem Reinigen der Frühstücksgedecke beschäftigten.
Das geschah in ähnlicher Weise, wie ich es einmal in den großen Hotels gesehen hatte; in einer Viertelstunde war die ganze Arbeit getan und alles wieder in bester Ordnung nah dem Speisesaale in die betreffenden Glaswandschränke befördert.
Statt unserer (seite 8) Kochherde sah ich lange, mit Silber und Gold verzierte Metalltafeln, auf denen die Speisen mittels Elektrizität zubereitet wurden.

 

Angerbauer, Joseph. Tischlein, Deck Dich Für Alle! Eine Betrachtung. West Norwood: Selbstverlag, 1908.

Process: Tischlein, Deck Dich für Alle: Page 6


 

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Als sogenanntes Kind der Liebe in einem kleinen Städtchen geboren, erzählte ich, wurde (seite 6) ich von meiner Großmutter in ärmlichen Verhältnissen, doch leidlich gut erzogen, kam im Alter von sechs Iahren in die Volksschule und mit zehn Iahren in die Lateinschule in einem größeren Institute.
Zum ersten Male auf Ferien heimkommend, fand ich meine arme Großmutter, die mir sie bestattet hatten, verbrachte ich die Ferienwochen bei meiner Mutter, die bei einer wohlhabenden Familie in Diensten stand, und dann ging es wieder fort ins Institut.
Die Kosten für das Studium bestritt eine Wohltäterin.
Nach dreien halbjähriger Anwesenheit im Institute mußte ich, da meine Wohltäterin starb, das Studium ausgeben und erlernte nach den Regeln meines Heimatlandes in dreijähriger Lehrzeit ein Gewerbe.
Er selbst nahm auch etwas zu sich, worauf wir den Raum verließen, um uns wieder nach oben zu begeben.
Als Gehilfe war ich in verschiedenen Städten tätig, bis mich meine Militärpflicht wieder heimwärts führte.
Ich wurde Soldat, bald auch Unteroffizier und war während meiner Dienstzeit einen blutigen Krieg mitzumachen gezwungen, aus dem ich unverletzt heimkehrte.
Nach dem Abgange vom Militär war ich in verschiedenen Berufen und brachte mich und die Frau, die ich dann geheiratet hatte, recht und schlecht fort, wie es eben kam.
Wenn auch ohne Ueberfluß lebten wir in glücklicher Ehe durch volle 32 Iahre, dann entriß sie mir der Tod.
Ietzt bin ich wieder einsam, bin alt geworden und fand keine Arbeit — — —
Nun erwiderte die Frau: Ich weiß, wie es in dem Lande, aus dem Du kommst, aussieht, welche harte, unerträgliche Zustände dort herrschen da ich es in meinen jüngeren Iahren schon mehrmals bereiste.
Doch da Du nun hier bist und jedenfalls zu bleiben gedenkst, so will ich, falls es Dir recht ist, Dir hier eine treue Freundin und Begleiterin durchs Leben sein.
Ich sagte mit Freuden zu, da ich, wie jeder natürliche Mensch, das Alleinsein verabscheue, und somit war unser Bund geschlossen.
Es kam die Zeit zur Abendmahlzeit.
Die Glocke im Turme des Gebäudes ertönte in drei Schlägen, im Gange vor der Türe wurde es wieder lebhaft, meine Freundin stand auf und hieß mich mitkommen.
Wir gingen eine breite Treppe mit Marmorstufen hinunter und kamen in einen ziemlich großen Saal, wie meine Begleiterin sagte, einer der vier Speisesäle des Gebäudes, dieser hauptsächlich für ältere Leute.
Sie wies mir einen Platz an und setzte sich neben mir nieder.
Im Saale befanden sich vier Reihe einfach aber rein gedeckter Tafeln, vor diesen bequem zusammenlegbare Bänke, die in kurzer Zeit besetzt waren.
Eine zarte Musik wurde hörbar, während durch junge Männer und Frauen die Speisen gereicht wurden.
Die Platten waren von stark vergoldetem Silber, desgleichen die Eßbestecke, die Teller von feinem Porzellan.
Die Mahlzeit war einfach und reichlich, doch nichts im Uebermaße,  denn schon feit ihrer Tugend, erklärte meine Freundin, seien die Leute hier schon er Gesundheit wegen an einfache Kost gewöhnt.
In verhältnismäßig kurzer Zeit war das Abendmahl beendet und die Leute begaben sich, meist paarweise oder in Gruppen, ins Freie, um einen (seite 7) Spaziergang zu machen.

 

Angerbauer, Joseph. Tischlein, Deck Dich Für Alle! Eine Betrachtung. West Norwood: Selbstverlag, 1908.

Process: Tischlein, Deck Dich für Alle: Page 5


 

Seite 5

Die Halle war ein kühler Raum, dessen Wände verschiedene Glasschränke zierten.
Es war das Refektorium.
In der Mitte sprudelte ein künstlerisch ausgeführter Springbrunnen, dessen strahlenförmig aufsteigendes Wasser eine angenehme Frische im Raume verbreitete.
Mein Führer hieß mich an einem Tische Platz nehmen, entnahm einem der Schränke eine wohlschmeckende Speise nebst einem Becher von dem schon erwähnten Göttertranke.
Er selbst nahm auch etwas zu sich, worauf wir den Raum verließen, um uns wieder nach oben zu begeben.
Er öffnete eine, ließ, mich eintreten und empfahl mir, es mir hier bequem zu machen und auszuruhen.
Ich schritt an das einen Erkervorsprung bildende Fenster, von dem ich nach drei Seiten hin einen herrlichen Ausblick hatte und den ganzen Vorplatz war mit grünem Rasen bewachsen und mit verschieden gezeichneten Blumenbeeten und Blumen schönster Art geziert.
In der Ferne sah ich Getreidefelder, auf denen zwar nur wenige Männer, aber desto mehr verschiedene Maschinen in Tätigkeit waren.
In den Gemüse-und-Obstgärten die ich erblickte, waren Männer und Frauen beschäftigt.
Nun sah ich mir die Stube selbst an.
Sie maß etwa sechzehn Fuß im Quadrat un hatte eine Nische, in der Wasch-und Brausevorrichtungen angebracht waren.
Die glatten Wände waren verschiedenfarbig eingelegt und mit Landschaftsbildern lieblich bemalt.
Von gleicher Beschaffenheit war die Stubendecke.
Der Fußboden war parkettiert.
In der Mitte de Raumes stand ein runder Tisch aus feinem Holze, rings herum vier ebensolche Stühle mit wichen Polstersitzen und zwei zierliche, von Sauberkeit blinkende Betten vervollständigten die Ausstattung.
Nachdem ich alles genügend in Augenschein genommen und mich an der Zierlichkeit, Bequemlichkeit und Handlichkeit der Dinge ergötzt hatte, fetzte ich mich wieder im Erker nieder.
Auf den Feldern und in den Gärten war es inzwischen stille geworden, die Männer und Frauen hatten sich zurückgezogen und die Maschinen in die nahen Remisen gebracht, denn der Abend begann hereinzubrechen.
Dafür wurde es lebhaft im Gebäude.
Ich hörte Männer und Frauen vergnügt plaudernd den langen und breiten Korridor entlang wandeln.
Da klopfte es an meine Türe.
Auf mein Herein trat eine anmutige Frau in reiferen Iahren ein, begrüße mich, ob ich mich langweile.
Ich erwiderte, das sei durchaus nicht der Fall, da ich vor Verwunderung über alles, was ich hier gesehen habe, aus mein ein Staunen gar nicht herauskomme.
Bald entwickelte sich zwischen uns beiden ein lebhaftes Gespräche.
Ich mußte ihr meine Erlebnisse und die Verhältnisse des Landes, aus dem ich kam, schildern.
Als sogenanntes Kind der Liebe in einem kleinen Städtchen geboren, erzählte ich, wurde (seite 6) ich von meiner Großmutter in ärmlichen Verhältnissen, doch leidlich gut erzogen, kam im Alter von sechs Iahren in die Volksschule und mit zehn Iahren in die Lateinschule in einem größeren Institute.

 

Angerbauer, Joseph. Tischlein, Deck Dich Für Alle! Eine Betrachtung. West Norwood: Selbstverlag, 1908.

Process: Tischlein, Deck Dich für Alle: Page 4


 

Seite 4

“Ich bin aus Almeria.
In der Arbeit eines ganzen Lebens bin ich alt und schwach geworden, nun warf man nach der dortigen Gesell Schaftsordnung die Schale weg, nachdem man den Saft herausgepreßt hat.
Aber eine gütige Fee erbarmte sich meiner und führte mich in dieses paradiesische Land.
Doch sage mir, wo befinde ich mich?”
“Ich weiß, mein Vater, daß es ein rückständiges, barbarisches Land ist, aus dem Du kommst, wenn auch feine Bewohner in dem Irrwahne leben, sie seien hoch zivilisiert und hoch kultiviert.
Hier aber bist Du im Lande der Freiheit, Gleichheit und Bruderliebe.
In Ruhe und Sorgenfreiheit wirst Du hier den Rest Deiner Tage genießen und ebenso beschließen.”
Aus einem nahen Häuschen holte er dann eine Platte kalter Speisen, öffnete einen der silbernen Ausläufer an dem im Hause angebrachten Marmorbecken, fing den entströmenden weinähnlichen Trank in silbernem Becher auf, reichte mir Speise und den Trank, der einen herrlichen Wohlgeschmack befaß, und nachdem ich mich gestärkt hatte, lud er mich ein, ihm zur Einführung in das Land zu folgen.
Wir gingen den Weg, den er vorher gekommen war.
Nach kurzer Wanderung standen wir vor einem mächtigen, palastähnlichen Gebäude, das mir mein Führer als eines der Wohngebäude der großen Gemeinde vorstellte, das nach seiner Erklärung Raum für etwa tausend Insassen bot und deren es viele Tausende in dem weiten Bruderreiche gebe.
Es war ein aus Granit gefertigtes, sechs Stock hohes, auf einer breiten Terrasse stehendes Gebäude, in der Mitte einen halbkreisförmigen, von Marmorsäulen getragenen Vorbau bildend, auf den mehrere Marmorstufen nach der Vorhalle führten.
Wir stiegen die Stufen empor und traten in die Vorhalle, in deren  Mitte sich eine kunstvolle Türe befand, die durch einen Fingerdruck meines Führers auf einen Knopf aufsprang.
Nun standen wir in der inneren Halle.
Mein Führer fragte mich, ob ich nicht vorerst ein Bad wünsche, was ich sofort bejahte.
Wir gingen einige Stufen hinunter nach den Baderäumen, deren einen mein Führer öffnete.
Er bereitete mir ein Bad, zeigte mir die nebenstehende Brause und hieß mich meine Kleider in den neben dem Eingang befindlichen Schrank hängen und diesen wieder schließen, worauf er sich entfernte.
Als ich mein Bad genommen und mit einer kalten Dusche mich erfrischt hatte, öffnete ich den Schrank, um mich anzukleiden.
Meine alten Kleider waren verschwunden und statt ihrer hingen neue von der Art, wie die Leute hier sie trugen, nebst feiner reiner Wäsche in dem Schrank.
Ich begann mich anzukleiden und konnte mich nicht genug wundern, wie alles so genau passen konnte, ohne daß es anprobiert worden war.
Dann drückte ich auf den Türknopf, die Türe öffnete sich, und als ich austrat, fand ich meinen Führer wieder, der mich wohlgefällig lächelnd empfing und mich nach einer auf der anderen Seite befindlichen Halle geleitete.

 

Angerbauer, Joseph. Tischlein, Deck Dich Für Alle! Eine Betrachtung. West Norwood: Selbstverlag, 1908.

Process: Tischlein, Deck Dich für Alle: Page 3


 

Seite 3

Willig gehorchte ich ihren Worten, stieg ein und die Luftfahrt begann. Wie getragen von des Adlers mächtigen Schwingen hoben wir uns in die Höhe, immer tiefer unter uns blieb die Erde, immer reiner und rosiger wurde die Luft, über Läuder und Meere ging die schnelle und doch wohlig ruhige Fahrt.
Nun senkte sich unser Fahrzeug allmählich wieder und hielt die Richtung auf festes Land.
Te näher wir diesem kamen, desto mehr staunte ich über dessen nie gesehene Pracht.
Wie ein Paradies erschien es mir, in dem nicht Menschen, sondern Götter wohnen.
Das Panorama, das sich mir aus der Höhe bot, fesselte meine Augen über all Maßen.
Wiesen von saftigstem Grün, lachende Triften, ausgedehnte Felder mit goldleuchtenden Aehren, Laubwald, der märchenhaft rauschte im Wehen einer leichten Brise, Nadelwald, aus dem sanfter Harzgeruch himmelan strebte, die Bäume so sorgsam gepflegt und so regelmäßig gepflanzt, als waren die Maße dazu mit dem Zirkel genommen worden, dann wieder Wiese und Trift, dann weiter Obst-und-Gemüsegârten, alles durchzogen von silbernen Streifen, den Straßen des zur Bewässerung nötigen Wassers.
Mitten drinn erhoben sich große, palastartige Bauten mit zahlreichen Nebengebäuden in einer Bauart, wie ich sie auf Erden nie gesehen hatte, weder an Pracht noch an Ausdehnung, und mitten drin in diesem Paradiesesland flog unser Aerostat sanft zu Boden und blieb stehen.
Die Stimme meiner gottgleichen Führerin ertönte:
Hier magst Du bleiben!
Du wirst hier Wesen finden, die gut zu Dir sein und Dir alle Seine vernünftigen Wünsche erfüllen werden.
“Ich aber muß wieder hinweg, um weitere der schwerbeladenen Menschenkinder hierherzubringen in unser Paradies.”
Der Aerostat hob sich majestätisch in die Höhe und ich war allein in dem herrlichen Lande.
Der Weg, den ich nunmehr entlang wandelte, war sichtlich mit peinlicher Sorgfalt gepflegt und beiderseits von prächtigen Bäumen mit weit ausladenden, reichen Schatten spendenden Kronen umsäumt.
Er führte zu einem sanft ansteigenden Hügel, auf dessen Höhe die Straße sich teilte.
Im Kreuzungspuntkte war ein Häuschen aus Baumästen errichtet, einem Gartenhäuschen ähnlich, aber nicht wie plumpes Menschenwerk, sondern troß des unscheinbaren Baumaterials mit fein künstlerischem Verständnis erbaut.
Rings um die Wände zogen sich Weinreben hin, von denen prachtvolle Früchte einladend herabhingen und Ruhebänke luden zur Rast.
Ich ließ mich nieder und weidete mich an dem herrlichen Rundblick.
Da bemerkte ich einen Mann auf mich zukommen, einen stattlichen jungen Menschen, dessen Gewandung leicht den Körper umfloß und die kräftige Muskulatur sehen ließ.
Er bot mir die Hand zum Gruße und sprach mich an:
“Ich sah einen unserer Aerostaten niedergehen und komme hierher, Dich als neuen Ankömmling in unserer Gemeinde zu begrüßen, Dich bei uns einzuführen.
Wer Du auch seidt, woher Du auch kommst, sei willkommen!”

 

Angerbauer, Joseph. Tischlein, Deck Dich Für Alle! Eine Betrachtung. West Norwood: Selbstverlag, 1908.

Saturday, May 19, 2012

Process: Tischlein, Deck Dich für Alle: Page 2


 

1. Leil - Auf der Wanderung

Ein heißer Herbsttag. Ich hatte schon zahlreiche Städte und Dörfer passiert, alle meine Mühe, eine stete Beschäftigung und Unterkunft zu finden, waren vergeblich gewesen, und betrübt zog ich als einsamer Wanderer die staubige Landstraße entlang.
Was war die Ursache meines Mißgeschickes gewesen?
Mein Aussehen war von der Art, die die Menschen heutzutage anständig nennen, ich sah nicht herabgekommen aus und war leidlich gekleidet.
Worin also lag die Ursache?
Die meisten von denen, die ich um Arbeit angesprochen hatte, hatten mich nur kalt angesehen, mancher gab mir aus Mitleid ein paar Pfennige, jeder erklärte, er habe “leider” keinen Bedarf für mich. Endlich fand sich einer, der mir die Wahrheit sagte.
“Ich würde es nicht wagen, Sie in meine Knochenmühle zu stellen, es tut mir leid um Sie, Sie sind zu alt.” — Nun wußte ich’s.
Mit meinen wenigen Fröschlein in der Tasche zog ich von dannen, die Menschheit bald verwünschend, bald wieder bemitleidend.
Gab es denn nicht Tausende und Abertausende meinesgleichen?
Waren nicht viele noch bedeutend schlechter daran?
Und mußte nicht ich mit allen den Laufenden und Abertausenden mich den ganzen langen Tag schinden und quälen, und kaut so viel zu verdienen, daß wir uns mühsam am Leben erhalten konnten?
Heiß brannte die Mittagssonne auf die Landstraße und legte sich wie Blei in meine mürben Knochen.
Da erblickte ich in einiger Ferne vor mir eine grüne mit Obstbäumen bestandene Wiese und darauf steuerte ich zu.
Bald war sie erreicht, im Schatten eines Apfelbaumes ließ ich mich nieder, las einige der abgefallenen Früchte auf, und diese bildeten mit einem Stücke Brotes, das ich aus der Tasche holte, mein frugales Mittagmahl.
Dann wollte ich weiter wandern, aber eine drückende Müdigkeit überkam mich, das Plätzchen war auch so geeignet zum Ruhen und Sinnen, ich begann zu grübeln über die schnöde und doch so schöne Welt, ich dachte an das Tischlein, das sich eigentlich decken müßte für alle, ich sann und dachte und grübelte, bis ein tiefer Schlummer mich dem irdischen Jammer entrückte und mich sanft hinübergeleitete in das Reich der Träume.
Erst lag es um meine Augen wie rosenrote Dämmerung, dann erblickte ich in weiter, endlos scheinender Ferne ein dunkles, kleines Etwas in der rosig leuchtenden Luft schweben, jenes dunkle Etwas wurde immer größer und kam immer näher, bis es sich gerade vor mir niederließ, ein wundersamer Aerostat.
Eine Frau entstieg ihm, engelsgleich anzusehen, trat vor mich hin und lud mich ein, ihr in das Luftfahrzeug zu folgen.
“Du wünschest Dir ja immer, das Tischlein deck dich für alle zu sehen,” sagte sie mit unnennbar lieblicher Stimme, “komm und folge mir, ich will es Dir zeigen!”

 

Angerbauer, Joseph. Tischlein, Deck Dich Für Alle! Eine Betrachtung. West Norwood: Selbstverlag, 1908.

Friday, May 18, 2012

Process: Tischlein, Deck Dich für Alle: Page 1


 

Vorwort

Der Proletarier, der genügend zeit hat, seinen Gesichtskreis durch gute Lektüre zu erweitern und über das Gelesene auch reiflich nachzudenken, er lernt bald den Zusammenhang der Dinge erkennen.
AWie viele aber von den Proletariern haben zeit dazu?
Für den Proletarier nun, der gezwungen ist, jahraus jahrein schwer zu arbeiten, um sich und die Seinen kümmerlich zu erhalten, der nicht Zeit hat, über das Wesen der Dinge nachzugrübeln und über ihren Zusammenhang, für den währt es Jahre und Fahrzehnte, bis er sich eine Vorstellung von dem gemeinschaftlichen Zusammenleben einer freien menschlichen Gesellschaft machen kann.
Bis an meinen Lebensabend fast muszte ich warten ehe ich in die Lage kam, was ich erlebt und was ich erfahren habe, in reifem Denken zu verarbeiten, und zu Nutz und Frommen aller derer, die zum Denken nicht Zeit haben um des leidigen Selbsterhaltungstriebes willen und die nicht warten sollen um ihres Wohles und ihrer Erlösung willen, will ich ihnen in aller Kürze hier die Frucht der Erfahrungen und des Grübelns eines ganzen Lebens, meines ganzen Lebens vorlegen.
Welcher Deutsche kennt nicht das alte Märchensprüchlein:
Tischlein deck dich!
Esel streck dich!
Knüppel aus dem Sack!?
Wer ist das Tischlein? – Die Mutter Erde. Wer ist das Eselein? – Das arbeitende Volk. Wer ist der Knüppel? – Das Geld.
Ich bin ein alter Arbeiter, der sich weder zu den Gelehrten oder Hellsehern, noch zu einer ähnlichen Gattung von Menschen rechnet.
Über meine seit Iahren und Iahren mühsam gesammelten Erfahrungen lehren mich, daß es nicht eine leere Vision ist, was ich im Nachfolgenden ausführe, und darum trete ich damit vors das Forum der Oeffentlichkeit.
Die heutigen harten Zustände im Leben der Arbeiter sind unhaltbar; sie zu bessern und vernunftgemäß zu machen, ist ein allseitiger frommer Wunsch, wird aber auch immer nur frommer Wunsch bleiben für solche Menschen, die nicht weiter denken als von heute auf morgen.
Für den tiefer Denkenden, für den ein wenig in die Zukunft Blickenden wird das Folgende wohl nicht allzu unwahrscheinlich scheinen, sondern wenigstens den Anstrich der Durchführbarkeit haben, da alle Vorbedingungen dazu schon seit Iahren gegeben sind.

 

Angerbauer, Joseph. Tischlein, Deck Dich Für Alle! Eine Betrachtung. West Norwood: Selbstverlag, 1908.

Thursday, May 17, 2012

Process: Tischlein, Deck Dich für Alle: Page 05


 

Inhaltsangabe.

1. Teil.
Auf der Wanderung.
Mein Traum.
2. Teil
Wie es kam.
3. Teil.
Vielleicht find mir meine Leser gefolgt in meinem Traum.
Land! Land!
Denket an Eure Kinder.

 

Angerbauer, Joseph. Tischlein, Deck Dich Für Alle! Eine Betrachtung. West Norwood: Selbstverlag, 1908.

Process: Tischlein, Deck Dich für Alle: Page 01


 

Tischlein, Deck Dich für Alle!

Eine Betrachtung
von
Joseph Angerbauer
Motto:
Niemand wird Euch bringen
Das Tischlein, das sich selber deckt,
Doch vereint könnt Ihr’s erzwingen,
Daß das Schicksal fich vollstreckt.
West Norwood, N. J., 1908.
Im Selbstverlage des Verfassers.
New York Office:
J. Angerbauer
c.d. D, Finecke, 117 Park Row.

 

Angerbauer, Joseph. Tischlein, Deck Dich Für Alle! Eine Betrachtung. West Norwood: Selbstverlag, 1908.